Bezahlkarte
Hier finden Sie Informationen zur Bezahlkarte.
Wir versuchen die Seite möglichst aktuell zu halten. Wenn jedoch nicht alle Ihre Fragen beantwortet werden, eine Information hier nicht mehr stimmt oder etwas fehlt, dann schreiben Sie uns gerne eine E-mail oder rufen Sie uns an:
(Stand November 2024)
Bereits im November 2023 hatten sich alle Bundesländer und die Bundesregierung darauf verständigt, für Menschen im Asylverfahren oder mit Duldung, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, bundesweit eine Debit-Karte einzuführen, die Beschränkungen im Zahlungsverkehr und bei der Verfügbarkeit von Bargeld ermöglichen soll.
Am 26. April hat der Bundestag nun die Einführung einer sog. Bezahlkarte für Geflüchtete beschlossen.
Zukünftig bekommen Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, grundsätzlich - also auch wenn sie nicht mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben müssen - vorrangig Sachleistungen statt Bargeld. Das gilt auch Empfänger*innen der sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Die Leistungen sollen auf eine Bezahlkarte gebucht werden. Die Bezahlkarte ist eine Guthabenkarte ohne Kontobindung.
Sachsen-Anhalt
Ende November 2024 werden die ersten AsylbLG-Behörden im Land mit der Ausgabe von Bezahlkarten an Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beginnen.
Das Land hat hierzu folgendes Infomaterial für die Leistungsberechigten erstellt. Übersetzungen sollen folgen.
Wichtige Informationen zu Ihrer Bezahlkarte ST
One Pager SocialCard Physische Karte deutsch
Daraus ist zu entnehmen:
- die Bargeldobergrenze liegt bei 50€ monatlich
- die Karte funktioniert nur dort, wo auch mit VISA-Card bezahlt werden kann
- Überweisungen, Lastschriften und Ratenzahlungen sind nur in Ausnahmefällen möglich und müssen beim Sozialamt beantragt werden
- die Karte kann in ganz Deutschland genutzt werden
- Personen, die der Residenzpflicht unterliegen, können die Karte nur in ihrem Postleitzahl-Gebiet nutzen
Weitere Informationen
FAQ zur Bezahlkarte (GFF – Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.)
Der Beschluss, eine Bezahlkarte einzuführen, folgt auf eine massive Kampagne gegen Geflüchtete, die den Eindruck vermittelt, die Menschen würden allein deshalb nach Deutschland kommen, um hier von Sozialleistungen zu leben. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass die Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit, einen Arbeitsplatz und das Vorhandensein von Familie und Freund*innen entscheidend dafür sind, welches Land Menschen zu erreichen versuchen.
Wer vor Krieg und Gewalt flieht, wird sich nicht davon abhalten lassen, weil es in Deutschland eine Bezahlkarte gibt. Die Bezahlkarte wird ihren vorgegebenen Zweck nicht erreichen, Geflüchtete jedoch in essenziellen Lebensbereichen diskriminieren. Sie ist Ausdruck einer populistischen Symbolpolitik, die Schutzsuchende weiter ausgrenzt, diskriminiert und kontrolliert.
Mit einer Bezahlkarte werden die sozialen Rechte Geflüchteter weiter eingeschränkt. Das grundgesetzlich garantierte Existenzminimum wird damit weiter unterschritten. Schon jetzt liegen die Leistungen für Geflüchtete in den ersten drei Jahren ihres Aufenthalts um fast 20% unter dem Bürgergeld, welches die verfassungsrechtlich garantierte Untergrenze des Existenzminimum markiert.
Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht schon 2012 geurteilt, dass das Existenzminimum “migrationspolitisch nicht zu relativieren" sei. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung noch angekündigt, dass sie "das Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickeln" werde – das Gegenteil ist der Fall.
Die Bezahlkarte funktioniert nur in Geschäften mit dafür ausgestatteten Lesegeräten, z.B. für Mastercard oder VISA. Vielerorts kann man sie nicht einsetzen, etwa auf Flohmärkten, beim Gemeindefest oder in der Schulcaféteria. Händler*innengruppen, die Geldtransfers ins Ausland anbieten, sind ebenfalls ausgeschlossen. Für die Menschen bedeutet dies, alltäglich Diskriminierung und Stigmatisierung zu erleben!
Eine Bezahlkarte kann sinnvoll sein, wenn sie - wie in Hannover - diskriminierungsfrei umgesetzt wird. Die Ausgabe einer "Social Card" u.a. auch an Geflüchtete, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, bietet Möglichkeiten der Digitalisierung und Vereinfachung von Verwaltungsprozessen, ohne dass der Zahlungsverkehr und die Verfügbarkeit von Bargeld in irgendeiner Weise eingeschränkt wird.
Das Argument der Entbürokratisierung erscheint auch alles andere als glaubwürdig, wenn die Landesregierung auf der anderen Seite weiterhin daran festhält, keine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete einzuführen. Eine solche Karte würde tatsächlich den Verwaltungsaufwand verringern und zudem den Geflüchteten mühselige Gänge zum Sozialamt ersparen, wo sie sich einen sog. Behandlungsschein ausstellen lassen müssen.
Fragwürdig ist außerdem die Einhaltung des Datenschutzes etwa wenn Betroffene beim Amt beantragen müssen, dass bestimmte Firmen und Personen in eine "Positivliste" / "Whitelist" zulässiger Zahlungsempfänger*innen aufgenommen werden, um deren Rechnungen bezahlen zu können. Dies könne einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre darstellen, wenn auf diese Weise etwa Zahlungen an Arztpraxen gegenüber den Behörden offen gelegt werden müssen.
Die GGUA Flüchtlingshilfe hat eine Übersicht zu den Änderungen veröffentlicht, die im Asylbewerberleistungsgesetz durch die Einführung der Bezahlkarte vorgenommen werden:
Die Arbeitshilfe von Claudius Voigt (GGUA Flüchtlingshilfe) enthält eine tabellarische Übersicht zu den nun beschlossenen Änderungen und eine Zusammenstellung der geänderten Gesetzestexte (mit markierten Änderungen) sowie der dazugehörigen Passagen der Gesetzesbegründung.
Eilentscheidung zur Bezahlkarte in Hamburg: Sozialgericht sieht pauschal 50 Euro Bargeld als unzulässig an (24. Juli 2024)
Pro Asyl und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) haben gemeinsam mit einer hamburgischen Familie eine sozialgerichtliche Eilentscheidung zur diskriminierenden Bezahlkarte erstritten (dazu unten die Pressemitteilung). Der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (S 7 AY 410/24 ER; 18. Juli 2024) lässt schon mal erahnen, auf welchen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und welche Rechtsunsicherheit sich die Sozialbehörden werden einstellen müssen. Das Sozialgericht stellt nämlich klar, dass das AsylbLG die Ausgabe einer Bezahlkarte zwar nicht per se verbiete. Aber: Die konkrete Ausgestaltung – also: wieviel Bargeld kann abgehoben werden, können Überweisungen durchgeführt werden, gibt es regionale Beschränkungen usw.) ist eine Ermessensentscheidung, die immer die Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigen müsse. Eine pauschale Begrenzung des abhebbaren Betrags auf 50 Euro (bzw. 10 Euro für Kinder!), weil man sich da politisch halt drauf geeinigt hat, ist nach Überzeugung des Gerichts rechtswidrig. Vielmehr muss für jede solcher Einschränkungen individuell Ermessen ausgeübt, abgewogen und begründet werden. Dies wird einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheiten mit sich bringen, die ziemlich einfach vermeidbar wären – wenn man weiterhin das Geld auf das Konto überweisen und auf die Bezahlkarte verzichten würde.
Für die Praxis heißt das: Bei Bezahlkarten sollte individuell beantragt werden, höhere Bargeldanteile zu erhalten. Dies sollte mit individuellen Umständen begründet werden – z. B. mit einer Behinderung, Krankheit, Alleinerziehung, Alter, Erwerbstätigkeit, langer Aufenthaltszeit, besonderen Bedarfen von Kindern usw. Auch wenn man bestimmte Kosten mit der Karte tatsächlich nicht decken kann – z. B. Einkäufe in kleinen Geschäften, am Kiosk, Privatkäufe gebrauchter Waren, Taschengeld für die Klassenfahrt usw. – sollte die zusätzliche Bereitstellung für Bargeld hierfür beantragt und möglichst konkret begründet werden. Das AsylbLG selbst sieht für diese Fälle einen Rechtsanspruch auf höhere Barleistungen vor (§ 2 Abs. 2 S. 3; § 3 Abs. 3 S. 6 AsylbLG). Das Sozialamt hat dann die Pflicht, sich mit jedem Antrag individuell auseinanderzusetzen und einen begründeten Bescheid zu erlassen, der die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Bei Ablehnungen sollten dagegen Klage und ggfs. Eilantrag beim Sozialgericht eingelegt werden.
Infos zu solidarischen Tauschaktionen:
zum Hören: https://podcast.dissenspodcast.de/b25-bezahlkarte
Unter dieser Anleitung aus Hamburg können überall Tauschaktionen organisiert werden.
Auch in München gibt es eine Tauschaktion (mehrsprachige Infos hier und ohne QR-Code hier ):
Klagen sind unter anderem sinnvoll, wenn durch die Einschränkungen der Bezahlkarte das sparsame Wirtschaften nicht mehr möglich ist:
- weil Anschaffungen mit Ratenzahlung von der Behörde nicht genehmigt werden
- oder Bargeld notwendig ist, um Gebrauchtwaren zu kaufen
- weil bei billigeren Einkaufsmöglichkeiten die Karte nicht akzeptiert wird (z.B. Markt, regionale Shops)
- weil für Kinder die Teilnahme an Ausflügen nicht mehr gewährleistet ist oder Materialgeld nicht mehr erbracht werden kann, da dieses in der Regel den Lehrkräften bar mitgebracht wird
- weil 50 € Bargeld nicht ausreichen und es einen Mehrbedarf an Barleistungen gibt, der von den Sozialbehörden nicht gewährt wird
- weil die Person nicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnt und unter massiven Einschränkungen leidet, etwa weil kein Onlineeinkauf und keine Überweisung möglich sind und der Barbetrag reduziert wurde
- weil Überweisungen einzeln bewilligt und IBANS indidviduell freigeschaltet werden
Es gibt auch weitere Gründe, aus denen eine Klage sinnvoll sein kann.
ProAsyl sucht Kläger:innen fürs Verfahren gegen die Bezahlkarte – einen Steckbrief finden Sie hier