Identifizierung besonderer Schutzbedürftigkeit
Deutschland ist durch europarechtliche Regelungen verpflichtet, eine flächendeckende und
systematische Identifizierung besonderer Schutzbedarfe umzusetzen.
- Die EU Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU schreibt vor, dass Mitgliedstaaten innerhalb einer
angemessenen Frist beurteilen müssen, „ob der Antragsteller ein Antragsteller mit
besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme ist.“ (Art. 22) - Die EU Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU schreibt vor, dass Mitgliedsstaaten innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz prüfen müssen, „ob ein Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigt.“
Im deutschen Recht ist die europarechtlich vorgeschriebene Identifizierung besonderer
Schutzbedarfe bisher nicht ausdrücklich geregelt. Dort heißt es lediglich, „Die Länder sollen
geeignete Maßnahmen treffen, um bei der Unterbringung Asylbegehrender nach Absatz 1 den
Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen zu gewährleisten.“ (§ 44 Abs.2a Asylg).
Die Bundesländer sind für eine Erstidentifizierung im Hinblick auf die EU-Aufnahmerichtlinie zuständig. Die Umsetzung der EU Verfahrensrichtlinie und die damit einhergehende Prüfung, ob Antragssteller*innen Verfahrensgarantien benötigen, fällt ebenso wie die Durchführung der Asylverfahren dagegen in die Zuständigkeit des Bundes.
Deutschland ist derzeit weit entfernt von einer flächendeckenden und systematischen Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben. Zwar existieren in einigen wenigen Bundesländern erste Ansätze für eine systematische Identifizierung von Schutz- und Unterstützungsbedarfen. Ein Identifizierungsverfahren, in dessen Rahmen alle ankommenden Geflüchteten im Hinblick auf die unterschiedlichen relevanten Schutzbedarfe befragt werden, wird derzeit in keinem Bundesland flächendeckend durchgeführt.
Weitere Informationen:
HCI: Positionspapier: Identifzierung von Schutz- und Unterstützungsbedarfen geflüchteter Menschen im Asylgesetz verankern (2023)
Antwort der Bundesregierung: Identifizierung besonderer Schutzbedarfe bei der Aufnahme von Geflüchteten (Drucksache 20/7089, 31.05.2023)
Sachsen-Anhalt:
Die Identifizierung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in Sachsen-Anhalt insbesondere durch Sozialarbeitende oder das Gesundheitsamt.
Im Erstgespräch mit den Sozialarbeitenden findet eine Aufklärung zu den unterschiedlichen Formen der Schutzbedürftigkeit verbunden mit der Information zu weitergehenden Unterstützungsangeboten statt. Die soziale Betreuung wird durch spezifische Beratungen oder Vermittlungen zu Fachstellen auf Wunsch Asylsuchender ergänzt. Eine Weitergabe der Information über die Schutzbedürftigkeit findet nur bei einer Schweigepflichtsentbindung Asylsuchender an weitere zuständige Behörden, wie z. B. das BAMF oder das Sozialamt, statt.
In der ZASt Halberstadt wird ein Leitfaden zur "Identifzierung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter" genutzt. Der Leitfaden bietet Informationen, die den Mitarbetenden der Sozialen Dienste bei der Aufnahme von Hinweisen auf besondere Schutzbedürftigkeit dienlich sein sollen.
Mit Hilfe eines "Meldebogen besondere Schutzbedürftigkeit" (MBS) werden die aufgenommenen Bedarfe erfasst, an zuständige Stellen weitergeleitet und Hilsmaßnahmen eingeleitet.
weitere Informationen:
Antwort der Landesregierung: Identifzierung besonderer Schutzbedarfe und Gewaltschutz bei der Aufnahme von Geflüchteten in Sachsen-Anhalt (Drucksache 7/6950, 03.12.2020).
Informationen zum Thema Identifzierung besonderer Schutzbedürftigkeit
Aktuelle Meldungen zum Thema besonderer Schutzbedarf
Zwischen Hoffnung und Gefahr: Die Bedrohungen für geflüchtete Frauen auf der Fluchtroute
[Schulung] für Sprachmittelnde: Asylverfahren und besondere Schutzbedarfe
[Fortbildung] „Geschlechtsspezifische Verfolgung im Asylverfahren“
[Fortbildung] „Menschenhandel und Schutz von Betroffenen im Asylverfahren“
Qualifizierungsreihe Einführung Asylverfahren: „Die Anhörung- Kernstück des Asylverfahrens“ | 15.10. | online
Die gesammelten Informationen wurden durch das Projekt SENSA aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Das Projekt wird finanziert von der Europäischen Union (AMIF), kofinanziert vom Land Sachsen-Anhalt, dem Freistaat Thüringen und der UNO Flüchtlingshilfe.