[Pressemitteilung] Geplante Gesetzesänderung und Hausordnung in Geflüchtetenunterkünften sind rechtswidrig

Pressemitteilung, 26.03.2025

Geplante Gesetzesänderung und Hausordnung in Geflüchtetenunterkünften sind rechtswidrig

Flüchtlingsrat stellt mit Rechtsgutachten und Stellungnahme fest, dass die geplante Änderung des Aufnahmegesetzes in Teilen rechtswidrig ist und appelliert an die Landtagsabgeordneten, der Änderung nicht zuzustimmen. Die in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes geltende Hausordnung enthält zudem unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Bewohner*innen.

 

Bei der Landtagssitzung am 27. März soll über die Gesetzesänderung zum Aufnahmegesetz abgestimmt werden. Darin enthalten ist eine zu weitreichende Einschränkung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung und der Privatsphäre.

Die Behörden und auch privaten Sicherheitsunternehmen sollen das Recht zum Betreten der Zimmer ohne Einwilligung der Bewohner*innen erhalten, wenn dies „zur Sicherstellung von Sicherheit und Ordnung insbesondere der Einhaltung der Nutzungsordnung in der Gemeinschaftsunterkunft erforderlich ist.“

Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt appelliert mit seiner Stellungnahme und dem in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten an die Parlamentarier, der Gesetzesänderung nicht zuzustimmen und sich für eine gesetzeskonforme Überarbeitung des Aufnahmegesetzes und der Hausordnung einzusetzen.

Das Gutachten des Juristen Falk Matthies untersucht, inwieweit die Bestimmungen der Hausordnungen rechtmäßig sind, insbesondere die Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Garantien.

Er kommt zu dem Schluss: „Die Hausordnung suggeriert Befugnisse – insbesondere der privaten Dienstleister – welche das Grundgesetz nicht hergibt. Dies deckt sich mit Berichten, wonach regelmäßig unter Missachtung des Grundrechts auf Unversehrtheit der Wohnung Zimmer betreten und sogar durchsucht werden. Dabei ist gerade in Erstaufnahmeeinrichtungen eine grundrechtssensible Ausgestaltung der Unterbringung und der Schutz des besonders vulnerablen Personenkreises zwingend geboten.“

Ein Bewohner der Landeserstaufnahmeeinrichtung Stendal berichtet: „Die ständigen Kontrollen der Zimmer und Durchsuchungen der Schränke nach verbotenen Gegenständen durch den Wachdienst erzeugen Angst und Stress.“

Das Psychosoziale Zentrum (PSZ) führt,vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Erfahrung in der Arbeit mit psychisch erkrankten Geflüchteten und fachlicher Expertise in seiner Stellungnahme aus: „dass das Betreten des persönlichen ‚Schutzraumes’ ohne Einwilligung und Absprache zu einer Re-Traumatisierung der Betroffenen führen kann und somit die Gesundheitssituation stark verschlechtert. Viele Klient*innen haben solche oder ähnliche Situationen im Heimatland oder auf der Flucht erlebt und es muss aus psychologischer Sicht unbedingt vermieden werden, dass sie solchen Erfahrungen erneut ausgesetzt werden. Die Einhaltung der Nutzungsordnung als Voraussetzung für das Betreten des Wohnraums ist aus unserer Sicht unverhältnismäßig zu den sich daraus ergebenden Folgen für die Betroffenen.“

„Statt weiterer Einschränkungen der Rechte der Bewohner*innen braucht es verbindliche Gewaltschutzkonzepte, die den bundesweiten Mindeststandards gerecht werden. Die im selben Gesetzentwurf beabsichtigte landesrechtliche Verankerung der europarechtlichen Verpflichtung zum Schutz von Vulnerablen im Aufnahmegesetz wird nicht erfüllt, wie wir in unserer Stellungnahme ausführlich dargestellt haben.“, so Stefanie Mürbe, Referentin im SENSA-Projekt.

 

Zum Rechtsgutachten zur Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen-Anhalt

 

Zur Stellungnahme des Flüchtlingsrates zur Änderung des Aufnahmegesetzes

 

Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt steht für Rückfragen und Informationen gerne zur Verfügung: Stefanie Mürbe | info@fluechtlingsrat-lsa.de | 0159 013 12 612



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