[Pressemitteilung] zur Einführung der Bezahlkarte in Sachsen-Anhalt
Pressemitteilung, 19.11.2024
Diskriminierung à la Carte ab heute auch in Sachsen-Anhalt
Flüchtlingsrat kritisiert Einführung der Bezahlkarte
Nach der Pilotphase in Magdeburg startet heute die flächendeckende Einführung der Bezahlkarte in Sachsen-Anhalt. „Die Diskriminierungskarte ist und bleibt symbolpolitische Ausgrenzung von Geflüchteten“, kritisiert Martina Fuchs, die Sprecherin des Flüchtlingsrats Sachsen-Anhalt. Die offizielle Begründung für diese Maßnahme wurde von der einschlägigen Migrationsforschung grundsätzlich in Zweifel gezogen: Es gibt keine belastbaren Zahlen über Auslandsüberweisungen von Asylsuchenden, und es gibt keine Hinweise auf einen Missbrauch der Sozialleistungen. Darum geht es bei dieser Karte aber auch gar nicht: Mit der Einführung demonstriert die Politik, dass sie „etwas gegen Geflüchtete tut“.
Die bisherigen Erfahrungen mit der Diskriminierungskarte zeugen von einer breiten Palette von Problemen, die den Betroffenen daraus erwachsen (siehe News von PRO ASYL). „Auch wenn die Stadt Magdeburg von einem Erfolg spricht, haben uns Betroffene von verschiedenen Einschränkungen berichtet. Die Beschränkung des bar abhebbaren Betrages auf 50,- € pro Monat ist v.a. deshalb so dramatisch, weil gerade in den wirtschaftlichen Bereichen, die arme Menschen nutzen können wie Kleinanzeigen oder Flohmärkte, eine Kartenzahlung nicht möglich ist. Auch kostengünstiges Einkaufen im Internet oder der Erwerb bestimmter herkunftslandspezifischer Nahrungsmittel sind so nicht möglich.“, so die Sprecherin des Flüchtlingsrates. Die Berliner Ombudsstelle für das Antidiskriminierungsgesetz hat erst letzte Woche bestätigt, dass eine restriktive Bargeld-Obergrenze von 50 Euro diskriminiert.
Ob der Verwaltungsaufwand mit der Diskriminierungskarte abnimmt, darf bezweifelt werden: Sozialgerichte haben festgestellt, dass der Bargeldbedarf individuell ermittelt werden muss und nicht pauschal auf 50,-/Monat und Person begrenzt werden darf. Es wird also zu zahlreichen Anträgen an die Sozialämter kommen, umso mehr wenn auch noch einzelne Überweisungen beantragt werden müssen. Ohnehin ist zu erwarten, dass früher oder später das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Leistungskürzungen und Schikanen feststellen wird.
Eine Bezahlkarte kann sinnvoll sein, wenn sie – wie in Hannover – diskriminierungsfrei und ohne Einschränkungen umgesetzt wird. Eine normale Girokarte wäre die einfachste Lösung. Das Argument der Entbürokratisierung erscheint auch alles andere als glaubwürdig, wenn die Landesregierung auf der anderen Seite weiterhin daran festhält, keine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete einzuführen. Eine solche Karte würde tatsächlich den Verwaltungsaufwand verringern und zudem den Geflüchteten mühselige Gänge zum Sozialamt ersparen, wo sie sich einen sog. Behandlungsschein ausstellen lassen müssen.
„Fest steht, die Ressourcen, die für diese Schikane aufgewendet werden müssen, wären viel besser in sozialpolitischen Maßnahmen angelegt. Nun ist erneut die Zivilgesellschaft gefordert, sich solidarisch mit den Betroffenen zu zeigen, durch Initiativen und Umtauschbörsen der Diskriminierung etwas entgegenzusetzen und Geflüchtete bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen.“, so Martina Fuchs, die Sprecherin des Flüchtlingsrates.
Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt steht für Rückfragen und Informationen gerne zur Verfügung:
Martina Fuchs | presse@fluechtlingsrat-lsa.de | 0391-50549613
Weitere Informationen:
Unsere Vorschläge zur weitgehend diskriminierungsfreien Umsetzung der Bezahlkarte für Geflüchtete im Bezug des Asylbewerberleistungsgesetzes (August 2024)