[Pressemitteilung] Ein Jahr nach Kriegsbeginn in der Ukraine: Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert gleiches Recht für alle Geflüchteten

Pressemitteilung
02.03.2023

Ein Jahr nach Kriegsbeginn in der Ukraine:

Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert gleiches Recht für alle Geflüchteten

Am 24. Februar jährte sich der russische Angriffskrieg. Am 4. März 2022 wurde zum ersten Mal der vorübergehende Schutz vom Europäischen Rat aktiviert. Mehr als eine Million geflüchtete Menschen aus diesem Krieg wurden mittlerweile in Deutschland registriert – Ukrainische Staatsangehörige und Menschen aus anderen Staaten, die ihren Lebensmittelpunkt in der Ukraine hatten.

Nach wie vor besteht dringender Handlungsbedarf, was die Situation zahlreicher Drittstaatsangehöriger und Staatenloser aus der Ukraine in Deutschland angeht.

Derzeit befinden sich in Deutschland etwa 38.000 Geflüchtete aus der Ukraine ohne ukrainischen Pass. Da sie nicht wie ukrainische Staatsangehörige pauschal von der Anwendung der EU-Richtlinie 2001/55/EG zum vorübergehenden Schutz profitieren, die in Deutschland mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 AufenthG für zwei Jahre für zwei Jahre einhergeht, sind viele Menschen jetzt schon von Abschiebung bedroht, bei anderen laufen bald Fiktionsbescheinigungen aus. Obwohl sie vor demselben Krieg wie ukrainische Staatsangehörige geflohen sind und Schutz suchen, ist ihre derzeitige Situation von Unsicherheit, Diskriminierung und Willkür geprägt.

Die Auslegung und Umsetzung der EU-Richtlinie unterscheidet sich je nach Bundesland. Viele Betroffene sind einer absoluten Willkür bei den Entscheidungen der einzelnen Ausländerbehörden und Sachbearbeiter*innen ausgesetzt. Der Ermessensspielraum der Behörden wird nur sehr selten zu Gunsten der Betroffenen genutzt. Dies hat zur Folge, dass die Erwerbstätigkeit in manchen Bundesländern gänzlich untersagt ist, anderenorts eine Ausreiseaufforderung nach der anderen eingeht.

Während Entwicklungsministerin Schulze und Arbeitsminister Heil in Ghana und Bundeskanzler Scholz in Indien versuchen, Fachkräfte anzuwerben, sollen hochqualifizierte Menschen ohne ukrainischen Pass, die sich aufgrund des Krieges in der Ukraine seit einem Jahr in Deutschland befinden, ausgewiesen werden. Diese Willkür muss ein Ende haben.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis fordert konkrete, langfristige und einheitliche aufenthaltsrechtliche Lösungen für alle geflüchteten Menschen aus der Ukraine

Das Bündnis fordert die Bundesregierung auf:
1. Die EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz – breit und bundesweit – einheitlich anzuwenden. Die Aufenthaltserlaubnis gem. § 24 AufenthG ist für alle Menschen zu erteilen, die in der Ukraine ihren Lebensmittelpunkt hatten. Hierbei sollte anerkannt werden, dass der Beginn eines Studiums auch dazu zählt. Viele Familien haben ihre gesamten finanziellen Mittel ausgeschöpft, um in die Zukunft ihrer Kinder zu investieren. Andere haben alles in ihren Herkunftsländern aufgegeben, um sich in der Ukraine ein Leben aufzubauen. Dies ist von der Bundesregierung in der Umsetzung zu berücksichtigen sowie klar, öffentlich und transparent zu kommunizieren.

2. Aufenthaltstitel nach §24 AufenthG auszustellen, um nicht-ukrainischen Staatsangehörigen den Zugang zu Integrationsmaßnahmen zu ermöglichen. Sie bekommen somit die Möglichkeit, die Voraussetzungen für andere Aufenthaltserlaubnisse nach dem vorübergehenden Schutz zu erfüllen, sich gegebenenfalls an Universitäten zu immatrikulieren, um ihr Studium fortzusetzen oder sich um eine Ausbildung oder Arbeit zu bemühen. Bereits abgelaufene Fiktionsbescheinigungen müssen bis dahin rückwirkend verlängert werden.

3. Die Beweisanforderungen bei Anträgen auf eine Aufenthaltserlaubnis den entsprechenden Umständen der aktuellen Situation anzupassen.
Vor dem Hintergrund, dass viele Menschen derzeit nicht die notwendigen Dokumente aus der Ukraine bzw. deren Auslandsvertretungen beschaffen können, muss eine alternative Glaubhaftmachung – z.B. über eine Eidestattliche Versicherung – beim Beleg von Familienbindungen, Immatrikulationen an Universitäten in der Ukraine oder dem Wohnsitz dort, ermöglicht werden.

4. Den Zugang zu Deutsch- und Integrationskursen für alle Personen zu ermöglichen, die einen Antrag auf vorübergehenden Schutz gestellt haben.

5. Den Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Menschen, die einen Antrag auf vorübergehenden Schutz gestellt haben, gleichermaßen zu gewährleisten.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist Bestandteil der EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz und eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe und Aufbau der für einen anschließenden Aufenthaltstitel nötigen finanziellen Ressourcen.

Manche Bundesländer erteilen Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine Fiktionsbescheinigungen mit dem Satz “Erwerbstätigkeit nicht erlaubt”. Die Ausländerbehörden müssen bundesweit einheitlich den Zugang zum Arbeitsmarkt durch Ausstellung von Fiktionsbescheinigungen nach §24 AufenthG mit Erlaubnis der Erwerbstätigkeit ermöglichen, ungeachtet des vermuteten Ausgangs einer Antragsstellung auf vorübergehenden Schutz.

6. Den Zugang zur Aufenthaltsgenehmigung zum Zweck des Studiums (§16b AufenthG) im Anschluss an den §24 AufenthG und durch geringere Anforderungen an finanzielle Mittel zu vereinfachen.

Den Zugang zur Aufenthaltsgenehmigung zum Zweck des Studiums (§16b AufenthG) im Anschluss an den §24 AufenthG und durch geringere Anforderungen an finanzielle Mittel zu vereinfachen. Ein Studium in Deutschland ist für ausländische Studierende aus Nicht-EU-Staaten nur mit enormen finanziellen Ressourcen möglich. Auch, um dem großen Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken, sollte der Zugang zum Studium über geringere Anforderungen an die Aufenthaltserlaubnis und mehr verfügbare Stipendien vereinfacht werden. Auch eine Finanzierung des Studiums durch eigene Arbeit muss einheitlich und überall ermöglicht werden.

7. Bei unvorhergesehenen Ereignissen im Herkunftsland muss es möglich sein, dass auch während eines Aufenthalts nach §16b AufenthG und anderen Paragraphen Betroffene individuelle Gründe für eine nicht-sichere und/oder nicht-dauerhafte Rückkehr ins Herkunftsland oder die Herkunftsregion erneut prüfen lassen können.


Pressekontakte

Für das Bündnis: zivilgesellschaftliches.buendnis@cusbu.de, zivilgesellschaftliches.buendnis@muenchner-fluechtlingsrat.de, beyondevacuation@gmail.com
Pressestelle von PRO ASYL: presse@proasyl.de, 069-24231430
Siehe auch die Pressemitteilung von PRO ASYL: https://t.co/qA3rZ3lJxE

Pressestelle des Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt: info@fluechtlingsrat-lsa.de, 0157-85085994

 

 



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