[Stellungnahme] Bewegungsfreiheit und Schutz für Roma aus der Ukraine!
Nicht alle Roma verlassen die Ukraine und nicht alle werden Opfer diskriminierender Behandlungen. Doch die Berichte über Diskriminierung von Romnja* an den Grenzen nehmen zu. Sie werden nicht in Autos mitgenommen, Busunternehmen weisen sie ab. In den Ankunftsorten werden sie aus unerfindlichen Gründen von den “weißen” Ukrainer:innen separiert. Auch in den Ankunftsorten in Deutschland gibt es Schwierigkeiten.
Es braucht große Räume
Überwiegend Frauen und Kinder sind auf der Flucht, mit Jugendlichen und manchmal pflegebedürftigen Angehörigen. Sie mussten sich von ihren Männern im “wehrfähigen Alter” trennen und wollen sich nicht weiter aufteilen. Neben den Kriegstraumata, die sie erlitten, berichten sie von massiven Diskriminierungen und Beleidigungen entlang der Fluchtrouten Richtung Westen.
Ukrainische Roma sind Nachkommen von Überlebenden und Opfern der Verfolgung und Vernichtung während des Nationalsozialismus. Wir möchten, dass gerade Deutschland jetzt Mittel bereitstellt und Schutz bietet.
Viele Romnja sprechen Romanes, Ukrainisch oder Russisch, jedoch nicht die Sprachen der Länder, in die sie fliehen. Manche können nicht lesen, und wenn, dann beherrschen sie nur kyrillische Schriftzeichen. Die ganze Situation ist extrem verunsichernd und bedrohlich. Angehörige einer Familie und Freund:innen, die sich gegenseitig unterstützen, wollen sich in dieser Situation nicht trennen und gern zusammen bleiben, auch zusammen unterkommen. Deshalb braucht es großzügige Unterbringungsmöglichkeiten, wo Menschen gemeinsam untergebracht werden können.
Rassismus trifft Roma auch jetzt
Zur leider auch schon vor dem Krieg existierenden strukturellen Diskriminierung gehört, dass viele Roma in der Ukraine undokumentiert sind und keine Pässe haben. Von den schätzungsweise 400.000 in der Ukraine lebenden Roma haben ca. 20 Prozent, also mehrere zehntausend Menschen, keine Papiere. Andere haben ihre Dokumente im Zuge der Flucht verloren. Für all diese Menschen ist es deutlich schwieriger, die Grenzen zu passieren und sich vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen.
Diese besonders vulnerable Gruppe ist bisher überhaupt nicht in die Personengruppen einbezogen, die in der aktuellen Situation in den Ländern der Europäischen Union offiziell Schutz erhalten können.
Kämpfen dürfen oder müssen sie auch ohne Papiere, fliehen aber ist ein Problem. Es gibt Berichte, dass der ukrainische Grenzschutz papierlose Roma nicht über die EU-Grenzen lässt. Deshalb müssen sie über die Grenze in die Moldawische Republik. Dort werden die weißen ukrainischen Flüchtenden von den geflüchteten Roma getrennt untergebracht. Der Menschenrechtsaktivist des European Roma Rights Centres (ERRC) Jonathan Lee bezeichnet diese Praxis als Segregation und kritisiert auch die sehr desolaten Unterbringungen vor Ort.
In diesen speziell segregierten Zentren wurden keine Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft aus der Ukraine angetroffen. Das ERRC verschaffte sich vor Ort einen Überblick und stellte fest, dass die Behörden in Moldawien Hunderte von geflüchteten Romnja aus der Ukraine mit Bussen an die rumänische Grenze bringen. Die Romnja werden nicht darüber informiert, wie das Einwanderungsverfahren abläuft und werden an der Grenze häufig zurückgewiesen, weil sie nicht über die richtigen oder keine Dokumente verfügen.
Gleiche Rechte und Möglichkeiten für alle Geflüchteten!
Laut des Nachrichtensenders Al Jazeera werden die Behörden in Moldawien unter Druck gesetzt, einen Umverteilungsplan für flüchtende Roma auszuarbeiten, der ihnen keine Dokumente abverlangt. Von wem sie unter Druck gesetzt werden, berichtet der Sender nicht. Der moldawische Abgeordnete Dorian Istratii, koordiniert die Arbeit im Flüchtlingszentrum Manej. Er sagt, dass die moldawische Regierung daran arbeite, die rumänische Regierung dazu zu bewegen, flüchtende Roma ohne Papiere aus der Ukraine aufzunehmen, damit sie dort Asyl bekämen. Nach EU Recht würde dies allerdings bedeuten, dass sie dort dann bleiben müssten. Dies wäre eine klare Schlechterstellung von Papierlosen, da sich alle anderen Ukrainer:innen derzeit ihren Aufenthaltsort in Europa aussuchen können.
Dauerhaftes Bleiberecht auch nach dem Krieg
Aus den Jugoslawienkriegen wissen wir, dass viele der damals geflohenen Roma bis heute auch 30 Jahre danach in Deutschland (oder auch anderen Staaten) nur geduldet sind und heute abgeschoben werden. Eine Wiederholung dieser Geschichte gilt es unbedingt zu vermeiden. Der derzeitige Umgang mit den papierlosen Romnja aus der Ukraine lässt dies jedoch befürchten.
Aus Erfahrung wissen wir, dass es 1999 ethnische Säuberungen gegen Roma im Kosovo nach den NATO-Einsätzen gab. Durch Krieg und Vertreibung haben die Menschen ihr Eigentum verloren. Nach Ende des Krieges konnten sie nicht in ihr altes Leben zurück. Es gibt bereits jetzt eine große Zahl von Roma in der Diaspora in Europa, die nie mehr zurück können.
Die Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte, aber auch paramilitärischer Kämpfer:innen und natürlich auch Neonazis wird sich in den nächsten Jahren, auch wenn der Krieg vorbei ist, nicht so schnell wieder rückgängig machen lassen. Es ist zu befürchten, dass Angehörige von Minderheiten wie Roma in einer extrem bewaffneten Gesellschaft schutzlos werden. Die Ausschreitungen gegen Roma in 2018 etwa lassen Schlimmstes befürchten.
Auch für andere Personen, die Minderheiten angehören, ist die Situation potentiell gefährlich. Wir fürchten um diese Leute. Für uns bedeutet das, dass wir bereits jetzt dafür eintreten von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie Betroffenen dauerhaft sichere Bleiberechte zu gewähren.
Wir brauchen:
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* In diesem Text schreiben wir überwiegend „Romnja“, weil sich überwiegend Frauen auf der Flucht befinden.
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