[Pressemitteilung] zum Treffen der Innenminister*innen: Bleiberecht jetzt wirksam umsetzen!

Presseerklärung
Magdeburg, 27.01.2022

Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt zum Treffen der Innenminister*innen am 28. Januar:

Bleiberecht jetzt wirksam umsetzen!

Anlässlich des Kamingesprächs, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Freitag mit ihren Kolleg*innen aus den Ländern führen wird, appelliert der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt an die Bundesregierung, die Bleiberechtsregeln aus dem Ampel-Koalitionsvertrag zügig umzusetzen. Auch Vorgriffsregelungen des Landes seien möglich und nötig, damit nicht vorzeitig diejenigen abgeschoben werden, die nach den Ankündigungen der Ampel Anspruch auf Bleiberecht hätten.

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, bestimmten Gruppen wie etwa gut integrierten Jugendlichen und langjährig Geduldeten bessere Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht einzuräumen. In diesem Zusammenhang soll es z.B. für Menschen, die seit dem 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, unter niedrigschwelligen Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht auf Probe geben.

Der Flüchtlingsrat begrüßt diese Pläne, fordert aber die zügige Vorlage geeigneter Gesetzentwürfe und darauf abstellender sogenannter Vorgriffsregelungen auf Landesebene. „Dass Geflüchtete zum jetzigen Zeitpunkt noch abgeschoben werden oder ihnen die Abschiebung droht, obwohl sie von den vom Bund angekündigten Verbesserung bei der Aufenthaltsverfestigung profitieren könnten, darf nicht sein!“, erklärt Stefanie Mürbe, Sprecherin des Flüchtlingsrates Sachsen-Anhalt.

Denn eine vorzeitige Abschiebung nimmt Betroffenen die ihnen zugedachte Chance auf einen legalisierten Aufenthalt. Dies kann bis zur tatsächlichen Gesetzesänderung durch Vorgriffsregelungen verhindert werden. „Dringend geboten ist, dass das Innenministerium von Sachsen-Anhalt die Ausländerbehörden anweist, allen potentiell von den angekündigten Bleiberechtsregelung Profitierenden Ermessensduldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen.“, erklärt Stefanie Mürbe. Neu ist das nicht: Hessen hat beispielsweise im Februar 2014 solche Vorgriffsregelungen eingeführt, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen gab es 2019 eine entsprechende Regelung im Vorfeld der Einführung der Beschäftigungsduldung.

Die von einer positiven Bleiberechtsregelung Betroffenen dürfen nicht die Leidtragenden sein, wenn der Bundestag die im Koalitionsvertrag vereinbarten Verbesserungen nicht schnell genug beschließt.

In Bezug auf das angekündigte Aufenthaltsrecht auf Probe hat das Innenministerium Rheinland-Pfalz mit einem Schreiben vom 23.12.2022 reagiert und den Ausländerbehörden darin zumindest nahegelegt, Abschiebungen des begünstigten Personenkreises im Hinblick auf das anstehende Gesetzgebungsverfahren auszusetzen.

„Dass Vorgriffserlasse dringend notwendig sind, zeigen die vielen, z.T. verzweifelten, Anfragen von Personen, die schon seit vielen Jahren in Sachsen-Anhalt leben, aber akut von Abschiebung bedroht sind und von der neuen Regelung profitieren würden. Es muss verhindert werden, dass diese Menschen, die offenkundig die Voraussetzungen für die kommenden Bleiberechtsregelungen erfüllen, abgeschoben werden.“, fordert Stefanie Mürbe.

Das Treffen Nancy Faesers mit den Innenministerien der Länder am Freitag, den 28. Januar, ist aus Sicht des Flüchtlingsrats eine gute Gelegenheit, zwischen Bund und Ländern großzügige Gesetzentwürfe und ebenso qualifizierte Vorgriffserlasse zu verabreden.

Hintergrund zu den im Koalitionsvertrag beschlossenen Neuerungen zum Bleiberecht

Insgesamt leben etwa 240.000 Menschen mit Duldung in Deutschland, über 5.000 davon in Sachsen-Anhalt. Bundesweit rund 4.500 von ihnen haben eine Beschäftigungsduldung und knapp 9.000 Geflüchtete eine Ausbildungsduldung.

Gut integrierte Jugendliche sollen laut Ampel-Koalitionsvertrag nach § 25a AufenthG künftig bereits nach drei anstatt wie bislang erst nach vier Jahren geduldeten Aufenthalts in Deutschland ein Bleiberecht erhalten können und den diesbezüglichen Antrag bis zum Abschluss des 27. anstatt wie bisher nur bis zum Abschluss des 21. Lebensjahres stellen können.

Darüber hinaus sollen besondere Integrationsleistungen Geduldeter im Rahmen des § 25b AufenthG dadurch gewürdigt werden, dass diesen in Zukunft bereits nach sechs anstatt wie aktuell noch nach acht Jahren ein Bleiberecht ermöglicht werden soll. Personen mit minderjährigen ledigen Kindern sollen das Bleiberecht nach dieser Vorschrift künftig schon nach vier statt wie bisher erst nach sechs Jahren erwerben können.

Das neu zu schaffende Chancen-Aufenthaltsrecht auf Probe soll für die Dauer eines Jahres gelten und Menschen, die nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, die Möglichkeit verschaffen, während dieser Zeit die Voraussetzungen für eine der oben genannten Bleiberechtsregelungen zu erfüllen wie beispielsweise die Identitätsklärung oder Lebensunterhaltssicherung.

Pressekontakt:

Stefanie Mürbe | mail: info@fluechtlingsrat-lsa.de | tel: 0391 50549613



diesen Beitrag teilen