[Pressemitteilung] Gemeinsame PM von Flüchtlingsrat, LAMSA und Antirassistischem Netzwerk zum Tag der Menschenrechte 2021
Gemeinsame Pressemitteilung, 10.12.2021
Menschenrechte statt Abschottung
Zum Tag der Menschenrechte kritisieren Flüchtlingsrat, LAMSA und das Antirassistische Netzwerk in Sachsen-Anhalt die Errichtung eines neuen Zauns um die ZASt und fordern die Beendigung der langen Wohnpflicht in Lagern
Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte sind weder ein Ort für Kinder noch für Erwachsene. Das wurde in den vergangenen Wochen erneut verdeutlicht durch den Bau des neuen „Sicherheits“-Zauns der ZASt Halberstadt.
Die Antwort der Landesregierung auf Anfrage der LINKEN verharmlost die Zustände. Was das Innenministerium als „bauliche[…] Maßnahmen zur Ertüchtigung der äußeren Grundstückseinfriedung der ZASt“ betitelt, ist dramatisch: Um das gesamte Gelände der Einrichtung wurde ein hoher Zaun mit Stacheldraht und Videokameras errichtet, die Kosten belaufen sich auf 1.445.000 €. Die ZASt vermittelt dadurch zunehmend den Eindruck eines Internierungslagers. Seitens der Verantwortlichen werden Sicherheitserwägungen angeführt, wonach vor allem das Eindringen von außen auf das Gelände verhindert werden soll.
»Den Bewohner*innen wird schon beim ersten Ankommen suggeriert, dass sie nicht willkommen sind. Auch wenn der Stacheldraht nach außen gerichtet ist, bleibt es Stacheldraht. Die Wirkung auf die Bewohner*innen als auch die Bevölkerung darf nicht außer Acht gelassen werden. Schließlich sind die Bewohner*innen täglich mit dem Zaun konfrontiert.« so Mamad Mohamad, Geschäftsführer von LAMSA.
Auch der Blick über Sachsen-Anhalt bestätigt diesen Eindruck. Die Errichtung neuer Lager auf den griechischen Inseln in ähnlichem Stil wurde in den vergangenen Monaten von Menschenrechtsorganisationen und institutioneller Seite, scharf kritisiert. So analysierte die Europäische Grundrechteagentur das Lager in Samos: »Um das Risiko einer Retraumatisierung zu vermeiden, sollte Stacheldraht nicht verwendet werden« und »Ein Zentrum, das der ersten Identifizierung und Registrierung Neuankommender dient, sollte nicht wie ein Gefängnis aussehen.« Außerdem sollten »Kinder (…) nicht gefängnisartigen Zäunen ausgesetzt werden.«
Diese Grundsatzkritik lässt sich auf die ZASt Halberstadt rückbeziehen. Helen Deffner, Sprecherin des Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt, dazu: »Egal wo, die Grundsätze menschenwürdiger Unterbringung müssen die gleichen sein! Sowohl die Abschottungsmaßnahmen an den Außengrenzen als auch die Lagerunterbringung von Menschen in der ganzen EU sind der Sargnagel der Menschenwürde!«
Von Samos bis Halberstadt muss Menschen eine Unterbringung ermöglicht werden, die kein (Re-)Traumatisierungspotential hat. Auch ein aktuelles Gutachten bestätigt: Kinder und ihre Familien dürfen überhaupt nicht in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, weil es ihre individuellen Rechten angreift.
Die neue Landesregierung hat im Koalitionsvertrag die Absicht festgeschrieben, die Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen für vulnerable Personen zu verkürzen. Wir begrüßen diese Erklärung und fordern deren schnelle Umsetzung und Ausweitung auf alle Personengruppen. Auch wenn momentan aufgrund der Pandemie nur wenige Personen länger als sechs Monate in den Aufnahmeeinrichtungen bleiben müssen, gehört diese Beschränkung der Menschenrechte grundsätzlich abgeschafft.
#KeinOrtFürKinder #KeinLagerfürNiemanden
Pressekontakt:
Helen Deffner | Projektmitarbeiterin des Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt | mobil: 015738303546
Mamad Mohamad | Geschäftsführer des LAMSA | mobil: 017644408969