[Presseerklärung] Populistischer Wahlkampf führt zu Tabubruch in Abschiebedebatte
Presseerklärung
06.07.2021
Populistischer Wahlkampf führt zu Tabubruch in Abschiebedebatte:
Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt fordert mit dem Berliner Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan und SyriaNotSafe einen Abschiebestopp
Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt schließt sich der Kritik des Berliner Bündnisses gegen Abschiebungen nach Afghanistan und SyriaNotSafe an. Die heutige Abschiebung in das Kriegsland Afghanistan und der Tabubruch der SPD-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl Franziska Giffey, die nun auch Abschiebungen in den Folterstaat Syrien ins Spiel bringt, sind inakzeptabel!
Unbeirrt von der Eskalation der Gewalt will die Bundesregierung am heutigen Dienstag, 6. Juli, zum 40. Mal in einer Sammelabschiebung nach Afghanistan abschieben. Auch eine Beteiligung Sachsen-Anhalts ist erneut nicht ausgeschlossen. Die Ignoranz der Bundes- und beteiligten Landesregierungen gegenüber der Kriegsrealität in Afghanistan ist erschreckend. Allein innerhalb von 24 Stunden haben die Taliban 13 Distrikte eingenommen, mehr als jemals zuvor. Die NATO-Truppen haben das Land verlassen, es herrscht politische Ungewissheit und Angst, Terroranschläge gegen Universitäten, Schulen und soziale Einrichtungen sind an der Tagesordnung.
Stattdessen fordern prominente Stimmen noch Schlimmeres: Die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey forderte am Wochenende die konsequentere Abschiebung nach Afghanistan und sogar nach Syrien. Matthias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, ergänzte, dass es schließlich auch Rückführungen in Länder geben müsse, „in denen es vielleicht manchmal schwierig erscheint“.
„Dieser zynische und populistische Wahlkampf auf dem Rücken von geflüchteten – und vor allem von oft schwer traumatisierten Menschen – ist schwer aushaltbar. In den letzten Tagen wurden wie so oft – Tabubrüche inszeniert, um am rechten Rand Wähler*innenstimmen zu fischen. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien, in schwerst bürgerkriegsgebeutelte Länder, sind absolut inakzeptabel und menschenrechtlich nicht zu rechtfertigen! „, so Helen Deffner vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt.
Auch wenn bislang „nur“ von Abschiebungen von Straftätern oder sogenannten „Gefährdern“ nach Afghanistan und potentiell nach Syrien die Rede ist, drohen dadurch schwere Menschenrechtsverletzungen. Abschiebung im Anschluss an die oder während der in Deutschland verbüßten Strafe mindern nicht nur drastisch die Chancen auf Rehabilitierung und Wiedereinstieg in ein straffreies Leben, sondern sind nach einer (teil)verbüßten Strafe letztlich Doppelbestrafungen und damit Ausdruck von strukturellem Rassismus. Das Aufenthaltsgesetz kann nicht als Ersatzstrafrecht missbraucht werden.
Nach Recherchen der ZEIT im April 20211 plant die Bundesregierung derzeit zwar keine Abschiebungen in vom Assad-Regime kontrollierte Regionen Syriens, es gebe jedoch Überlegungen zu Abschiebungen in den kurdisch geprägten Nordosten. Auch die „kurdischen Gebiete im Nordirak und in der Türkei“ würden in Betracht gezogen.
Die jüngsten politischen Vorstoße enttarnen sich als reine Stimmungsmache vor den Wahlen, da die kurdische Selbstverwaltung in Nordostsyrien bislang noch nicht einmal von der Bundesregierung anerkannt wird. Bei Abschiebungen in von ihr kontrollierte Gebiete müsste die Bundesregierung aber mit ihr zusammenarbeiten.
Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt schließt sich den Forderungen des Berliner Bündnisses gegen Abschiebungen nach Afghanistan und SyriaNotSafe an: Es braucht einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan und Syrien und ein Ende des populistischen Wahlkampf-Gebrülls nach Abschiebungen in Kriegs- und Folterstaaten.
Afghanistan Not Safe! Syria Not Safe!
Pressekontakte:
Hannah Wagner (We’ll Come United Berlin Brandenburg, Berliner Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan): Tel.: 0163 1601 783
Tareq Alaows (SyriaNotSafe): presse@tareq-alaows.org
Helen Deffner (Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt): helen.deffner@fluechtlingsrat-lsa.de
1https://www.zeit.de/2021/17/fluechtlinge-daenemark-abschiebung-syrien-deutschland/komplettansicht?utm_referrer=https%3A%2F%2Ffluechtlingsrat-berlin.de