26.06.19 | FLÜCHTLINGSRAT SACHSEN-ANHALT und PRO ASYL appellieren an MP Daniel Günther als Vorsitzenden des Bundesrats, den Vermittlungsausschuss anzurufen
Presseerklärung
FFM/Magdeburg, 26. Juni 2019
»Hau-Ab«-Gesetz am Freitag im Bundesrat:
FLÜCHTLINGSRAT SACHSEN-ANHALT und PRO ASYL appellieren an MP Daniel Günther als Vorsitzenden des Bundesrats, den Vermittlungsausschuss anzurufen
Der Gesetzentwurf ist rechtswidrig und bedeutet integrationsfeindliche Ausgrenzung auf Kosten von Ländern, Kommunen und Betroffenen
Die FLÜCHTLINGSRÄTE SACHSEN-ANHALT (FR-ST) und PRO ASYL appellieren an die Bundesländer, das vom Bundesinnenministerium verklausuliert als »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« bezeichnete »Hau-Ab«-Gesetz am Freitag im Bundesrat (TOP 9) abzulehnen und den Vermittlungsausschuss anzurufen.
»Dieses Gesetz ist integrationsschädlich, in Teilen rechtswidrig und ein unglaublicher Angriff auf den Rechtsstaat. Die Länder und die Kommunen werden für die Abschreckungs- und Desintegrationspolitik der Bundesregierung einen hohen Preis zahlen«, warnt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, »die Treue zur GroKo darf nicht über den Länderinteressen und dem Rechtstaat stehen.«
»Wir fordern Ministerpräsident Daniel Günther als Bundesratsvorsitzenden auf, Sorge zu tragen, dass die Bundesländer am Freitag Rückgrat zeigen und den Vermittlungsausschuss anrufen.« Keine Option sei es, wie aus Rheinland Pfalz verlautet, sich durchzumogeln. Denn wer auf die Enthaltungsvariante setze, würde dem Gesetz zur Mehrheit verhelfen. »Wir fordern die Länder dringend auf, Stärke zu zeigen, das Gesetz abzulehnen«, mahnt Burkhardt weiter.
FR-ST und PRO ASYL fordern, dass Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Brandenburg, Thüringen und weitere, aus denen es in den Bundesratsausschüssen oder von politischer Seite Kritik am Gesetz gab, dieses auch konsequent ablehnen.
FR-ST und PRO ASYL stimmen außerdem der Einschätzung der Ausschüsse des Bundesrates zu, dass das »Hau-Ab«-Gesetz zu Unrecht vom Bundestag als nicht zustimmungspflichtig eingestuft wurde. Dies bedeutet aber, dass die Mehrheit der Länder aktiv den Vermittlungsausschuss anrufen muss, um ihre Mitbestimmung mit dem Ziel der notwendigen Entschärfungen des Gesetzes durchzusetzen – als letzte Möglichkeit, die Minimierung der enormen materiellen Belastungen für die Länder zu erreichen. Mit einer Enthaltung allerdings wird die Wahrscheinlichkeit steigen, dass das Gesetz in der jetzigen Fassung in Kraft tritt, da Enthaltungen nicht mitzählen.
Hintergrund
Nach den Empfehlungen der Fachausschüsse der Bundesländer wird das »Hau-Ab«-Gesetz zu immensen Mehrkosten für die Länder führen und ist deshalb zustimmungspflichtig.
Allein die baulichen Maßnahmen für die ca. 3.000 Gemeinschaftseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft werden allein in NRW zu einer geschätzten Investitionssumme von 150 Millionen Euro führen (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 3). Die Folgekosten der Ausweitung der Zwangsisolierung in der Erstaufnahme und der Zwang, Sachleistungen zu zahlen wird zu einer Steigerung von 31,43 Euro auf 47,51 Euro pro Tag und Person bei Unterbringung in der Erstaufnahme führen (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 7). Dies ist eine Steigerung der bisherigen Kosten um rund 50%. Die Ausweitung der Zwangsunterbringung in der Erstaufnahme von 6 auf 18 Monate und länger, wie die regelmäßige Praxis in Bayern schon heute belegt, bringt weitere enorme Folgekosten für die Länder mit sich: Die Kosten des menschlichen Leids, der Tatsache, dass Existenzen durch den Lagerzwang psychisch zerstört werden und die Integration in Ausbildung und Arbeit systematisch verhindert wird, sind enorm und nicht eingerechnet. Hier werden Menschen mit hohen Integrationspotenzialen ohne Not in die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen gezwungen.
Das Gesetz ist zudem rechtswidrig, da die geplante Vermischung von Strafhaft und Abschiebungshaft die Menschenwürde verletzt und klar dem Europarecht zuwiderläuft. Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat prägnant die Rechtswidrigkeit des Gesetzes dargelegt (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 4 f). Extrem problematisch ist außerdem die neue Möglichkeit, ausreisepflichtige Personen schon 30 Tage nach Ablauf ihrer Ausreisefrist ins Ausreisegewahrsam zu nehmen – unabhängig davon, ob es Anzeichen dafür gibt, untertauchen zu wollen. Gleichzeitig soll im Rahmen der Abschiebung den Behörden ermöglicht werden, ohne richterlichen Beschluss die Wohnung der Betroffenen zu betreten und diese zum Flughafen zu bringen.
FRSTund PRO ASYL haben – z.T. in Kooperation mit vielen anderen Organisationen – das sogenannte »Geordnete-Rückkehr«-Gesetz aufgrund von rechtswidrigen Regeln und Neubestimmungen, die zur Ausgrenzung führen, abgelehnt, vor den Folgen für die Betroffenen und die Länder gewarnt und Bundestag und Bundesrat frühzeitig dazu aufgerufen, gegen das Gesetz zu stimmen.
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